Verweigerung von Versorgungsleistungen - Widerruf einer Versorgungszusage - Rechtsmissbrauch - Widerrufsvorbehalt - Verzicht - Verwirkung -Verjährung

Orientierungssätze

  1. Es kann dahinstehen, ob von dem Vorbehalt in § 13 Abs. 1 Buchst. d der RL GHH-Verband, der nach seinem Wortlaut nur die Änderung, die Kürzung und die Einstellung der zugesagten Versorgungsleistungen erlaubt, auch die vollständige Verweigerung der Leistungen erfasst ist. Aufgrund des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung und des besonderen Schutzbedürfnisses der Versprechensempfänger, das eine starke Verfestigung bereits der Anwartschaften auf Pensionsleistungen zur Folge hat, kommt eine Versagung von Versorgungsleistungen wegen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur in Betracht, wenn die Berufung des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszusage dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist (vgl. zuletzt BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 26; 13. November 2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 30, BAGE 143, 273). Deshalb kann sich der Arbeitgeber trotz eines Widerrufsvorbehalts von der dem Arbeitnehmer erteilten Versorgungszusage wegen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nur dann „lösen“ und die Leistung verweigern, wenn das Versorgungsverlangen des Arbeitnehmers rechtsmissbräuchlich ist. Da sich der Arbeitgeber mittels eines Widerrufsvorbehalts demnach nicht unter erleichterten Voraussetzungen von der erteilten Versorgungszusage befreien kann, als dies nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB möglich ist (vgl. etwa BAG 8. Mai 1990 - 3 AZR 152/88 - zu III 1 der Gründe; 3. April 1990 - 3 AZR 211/89 - zu II 1 der Gründe, BAGE 64, 298; 8. Februar 1983 - 3 AZR 463/80 - zu 1 der Gründe, BAGE 41, 333; 11. Mai 1982 - 3 AZR 1239/79 - zu 1 der Gründe), ist ein vertraglicher Widerrufsvorbehalt regelmäßig als nur deklaratorischer Hinweis auf den Rechtsmissbrauchseinwand zu verstehen (vgl. etwa BAG 3. April 1990 - 3 AZR 211/89 - zu II 1 der Gründe, aaO).
  2. Der Rechtsmissbrauchseinwand kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat. Das ist anzunehmen, wenn eine rechtzeitige Entdeckung derartiger Verfehlungen zur fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar wurde und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vertuschung des Fehlverhaltens daran gehindert hat, noch vor Eintritt der Unverfallbarkeit zu kündigen (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 47, BAGE 143, 273).
  3. Der Rechtsmissbrauchseinwand kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, insbesondere durch Ersatzleistungen nicht wiedergutzumachenden schweren Schaden zugefügt hat (BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 27; 13. November 2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 35, BAGE 143, 273). Stützt sich der Arbeitgeber auf die Verursachung eines Vermögensschadens durch den Arbeitnehmer, ist das Versorgungsverlangen des Arbeitnehmers allerdings nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn dieser seine Pflichten in grober Weise verletzt und dem Arbeitgeber hierdurch einen existenzgefährdenden Schaden zugefügt hat. Führen die vom Arbeitnehmer verursachten Vermögensschäden hingegen nicht zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage des Arbeitgebers, sind dessen Interessen mit der Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, hinreichend gewahrt (vgl. BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 27; 13. November 2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 30 ff., aaO).
  4. Danach ist das Versorgungsverlangen des Klägers nicht rechtsmissbräuchlich.
  5. Dass die Beklagte über die behaupteten Pflichtverletzungen des Klägers, den Zeitpunkt ihrer Begehung und das Ausmaß des der H H GmbH zugefügten Schadens keine näheren Kenntnisse hat und deshalb zu einem substantiierten Vortrag nicht in der Lage ist, entlastet sie nicht. Nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast trägt derjenige, der den Einwand des Rechtsmissbrauchs geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser rechtsvernichtenden Einwendung.
  6. Da allein ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung zur Begründung des Rechtsmissbrauchseinwands nicht genügt, kommt es auf die Frage, ob sich die Fiktionswirkung des § 7 KSchG auch auf das Vorliegen eines Kündigungsgrundes erstreckt (dagegen BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 59 mwN), nicht an.
  7. Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass dieser in § 3 des Aufhebungsvertrages vom 16. Dezember 1986 unwiderruflich auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung verzichtet hat. Die in § 3 des Aufhebungsvertrages vom 16. Dezember 1986 getroffene Vereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (aF) unwirksam.
  8. Über seinen Wortlaut hinaus verbietet § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF nicht nur die Abfindung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft durch eine einmalige Zahlung, sondern auch einen entschädigungslosen Erlass der Versorgungsanwartschaft in Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen wurden (vgl. BAG 14. Juni 2005 - 3 AZR 185/04 - zu II 4 der Gründe; 21. Januar 2003 - 3 AZR 30/02 - zu II 2 der Gründe; 20. Oktober 1987 - 3 AZR 200/86 - zu III 3 der Gründe, BAGE 56, 251; 22. September 1987 - 3 AZR 194/86 - zu I 3 c der Gründe, BAGE 56, 148).
  9. Danach ist die in § 3 des Aufhebungsvertrages vom 16. Dezember 1986 getroffene Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF unwirksam.
  10. Die H H GmbH und die Beklagte konnten aus der in § 3 des Aufhebungsvertrages getroffenen Vereinbarung nach Treu und Glauben nicht den Schluss ziehen, der Kläger werde bei Eintritt des Versorgungsfalls seine Betriebsrentenansprüche nicht geltend machen. Der in § 3 des Aufhebungsvertrages erklärte Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung ist wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF unwirksam. Deshalb konnte bei der H H GmbH und der Beklagten von vornherein kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen, die dem Kläger zugesagten Leistungen bei Eintritt des Versorgungsfalls nicht erbringen zu müssen.

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